Der gemeinnützige Verein „Lahn Registrierkassen Gießen e.V.“ befindet sich noch im Aufbau.
In Zusammenarbeit mit dem Gießener Stadtarchiv und dem Oberhessischen Museum (seit Sept. 2024 "Museum für Gießen") hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ein Stück Gießener Industriegeschichte lebendig zu halten.
Der Verein „Lahn Registrierkassen Gießen e.V.“ will mithelfen, Erinnerungen wachzuhalten. Vor fast 80 Jahren, direkt nach dem Krieg, als alles in Schutt und Asche lag, halfen Flüchtlinge – oder besser gesagt: Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten – auch hier in Gießen beim Wiederaufbau städtischer und industrieller Strukturen. Vor 76 Jahren startete die „Lahn Registrierkassen GmbH“, und nun wollen Nachkommen der Firmengründer und ehemalige Mitarbeiter mit dem neuen Verein eine nicht unbedeutende Episode der Gießener Industriegeschichte neu beleuchten. Sie fragen: Wer erinnert sich noch an die Gießener Kassenindustrie? Und sie erinnern daran, dass es damals schon die Hessenhallen gab, in denen 1948 die erste Gießener Industrieausstellung stattfand, an der sich auch die neue Registrierkassen Firma mit einem großen Ausstellungsstand beteiligte
Der neu eingetragene und gemeinnützige Verein steht unter der Leitung von Helmut Fritz, dem Sohn des ehemaligen Firmengründers Willy Fritz. Er sammelt, dokumentiert und archiviert in Zusammenarbeit mit dem Gießener Stadtarchiv Dokumente, Bilder, Fotos und Objekte aus dieser Zeit und möchte sie über die Medien auch für die Öffentlichkeit verfügbar machen.
Der Verein hat sich für die nächste Zeit viel vorgenommen. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 fand eine Fahrt zum Technikmuseum in Kelkheim am Taunus statt. Das „technikum29“ ist ein privates Museum mit Schwerpunkt auf der Computergeschichte zwischen den 1920er und 1980er Jahren. Die Zeitspanne, in der auch die Fertigung der Lahn-Registrierkassen fällt, umfasst den Übergang zwischen mechanischen Rechenmaschinen über Lochkarten-EDV bis hin zu Rechnern mit integrierten Schaltkreisen.
Die Anregungen des „technikum29“ Museums möchte der Verein aufgreifen und auch in Gießen das historische Erbe der hiesigen Industriegeschichte bewahren. Dafür sollen die noch existierenden Zeugnisse, unter anderem alte originale Lahn-Registrierkassen, ausgestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Sie sind schließlich Zeugen der Geschichte im Nachkriegsdeutschland. Daneben laufen die Vorbereitungen für eine Broschüre, die mit Bildern, Fotos und Dokumenten die rasante Entwicklung von der einfachen Ladenkasse zur Self-Service-Cash darstellen soll.
Der neue Verein „Lahn Registrierkassen Gießen“ arbeitet eine nicht unbedeutende Episode der Gießener Industriegeschichte auf und rückt sie wieder ins Bewusstsein. Zu diesem Zweck wurde als Fortsetzung des bereits seit etwa fünf Jahren bestehenden „Freundeskreis für die Geschichte der frühen Gießener Kassenindustrie“ nun der inzwischen eingetragene Verein gegründet. Die Ziele des neuen Vereins sind unter anderem das Sammeln, Dokumentieren und Archivieren möglichst vieler Objekte, die mit der alten Lahn Registrierkassen-Firma zusammenhängen. Sein Grundanliegen bezieht sich mit der Entstehungsgeschichte der "Lahn Registrierkassen Gießen GmbH" direkt auf die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges, sowie auf die daraus entstandenen Nachfolgefirmen.
Vom Spinnrad zur Registrierkasse
Die Geschichte der „Lahn-Registrierkassen“ begann 1946 im zerbombten Gießen und dauerte bis Ende der 1970er Jahre; also doch immerhin über 24 Jahre. Die beiden Heimatvertriebenen Kurt Ziegler und Willy Fritz, die 1945 aus Ostpreußen nach Gießen kamen, hatten nach dem zweiten die Weltkrieg die feste Absicht, in Gießen Registrierkassen für die gerade wiedererwachende Geschäftswelt herzustellen. Sie sollten handlich klein und preislich für jeden Geschäftsmann erschwinglich sein. Ohne Kapital ausgestattet, begannen die beiden Firmengründer zunächst einen Gebrauchsgegenstand herzustellen, mit dem man das Überleben sichern und ein kleines Grundkapital aufbauen konnte. So stellte man mit Hilfe einer Drechselbank in einer Kellerruine in der Gießener Wilsonstraße zunächst Spinnräder her, die man an die Landbevölkerung verkaufte oder gegen lebensnotwendige Dinge wie Butter oder Wurst eintauschte. Parallel da zu reiften die Pläne zur Herstellung einer Ladenregistrierkasse. Aus den Trümmern wurden eine Werkbank geborgen und in einer Baracke der Bergkaserne an der Licher Straße erste Kassenteile hergestellt. Ein entscheidender Schritt vorwärts gelang, als Dr. Georg Gail, Inhaber der damaligen Zigarrenfabrik im Erdkauterweg, einen Teil seines Werkes für den Ausbau der neuen Registrierkassenproduktion zur Verfügung stellte. Danach ging es mit der Lahn Registrierkassen Gießen GmbH – so der offizielle Firmenname – rasant nach oben. Die neuen Kassen wurden auf Gewerbe- und Industrieausstellungen nicht nur in Gießen, sondern auch in Wiesbaden, Frankfurt und sogar in Hannover ausgestellt und gut verkauft. Einem neuen Investor Max Matthiesen, ein Industrieller aus Hannover– gelang es, mit staatlicher Unterstützung große Investitionen und Produktionsausweitungen vor zunehmen. Zunächst kam eine Betriebsstätte in der Gießener Nordanlage hinzu, dann je doch wurde ein Produktionsneubau im Schiffenberger Weg aus dem Boden gestampft. Die Belegschaft wuchs zeitweise bis auf 300 Mitarbeitende an. Der Fortschritt zeigte sich auch in der Weiterentwicklung, z.B. in einer elektrisch betriebenen Ladenkasse.
Doch Max Matthiesen hatte finanziell kein Glück und musste nach einer Insolvenz 1959 das Werk an den damals weltgrößten US-Kassenhersteller NCR, Niederlassung Augsburg (vormals National Registrierkassen Berlin) abtreten. Die neuen Besitzer übernahmen eine komplette Produktionsanlage und konnten auf eingespielte Mitarbeiter zurückgreifen– aber auch auf ihre eigenen Ressourcen und Entwicklungen. Schnell entstanden in den NCR-Entwicklungsbüros moderne Weiterentwicklungen und Produktionen, wie elektrische Buchungsmaschinen und Buchungsautomaten. Hinzu kamen bis 1984 hauptsächlich Tisch- und Kleincomputer und PC. Zeitweise waren im NCR Werk Gießen bis zu 500 Mitarbeitende beschäftigt.
Verkauf an einen US-Konzern
Nach und nach wurden die Geräteproduktionen jedoch wieder zentralisiert und nach Augsburg zurückverlagert, vor allem, da die Microchip-Entwicklung
und -Herstellung nur noch zentral im amerikanischen Mutterkonzern gebündelt wurde.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Großproduktion der sogenannten NCR-Durchschreibepapiere, Formularsätze im Durchschreibeverfahren ohne Kohlepapier, die in einer in Linden-Leihgestern erbauten Produktionsanlage gefertigt wurden. NCR betrieb noch bis in die 1990er Jahre sowohl im Ursulum als auch in der Bahnhofstraße Verkaufs- und Kundendienstbüros .
Weitere Helfer dringen gesucht
Der neu gegründete Verein „Lahn Registrierkassen Gießen“ sucht dringend Helfer; zum Beispiel mit guten Ideen für die Öffentlichkeitsarbeit, Hilfe bei der Erstellung der geplanten Drucksachen, aber auch für die Verwaltung der Finanzen.
Interessierte melden sich bitte bei dem ersten Vorsitzenden Helmut Fritz (Tel.: 06441/4473040; mobil: 0170/ 5066588 oder per E-Mail an:
(entnommen der Gießener Allgemeinenen vom 01.08.2024, Autor: die Readktion / GL)